Hybride Darstellungen GO WEST

 

In der Ausstellung GO WEST werden Arbeiten von vier Künstlerinnen präsentiert, deren formale Zugänge nicht verschiedener sein könnten. Gemeinsam behandeln sie mehrere Fragen, jede aus ihrer eigenen individuellen künstlerischen Position heraus. GO WEST kann als Metapher für die Komplexität kultureller Überschneidung aufgefasst werden. Dichotomien versuchen die Künstlerinnen zu vermeiden. Ihre Arbeiten stehen exemplarisch für gesellschaftliche Entgrenzung. Begriffe, welche im eurozentristischen kollektiven Gedächtnis als entgegengesetzt verstanden werden, wie Kultur | Natur, Mann | Frau, das Eigene | das Fremde werden von den Künstlerinnen aufgenommen und verarbeitet.

Die Reise | die geographische Richtung - in die WESTsteiermark „reisen“ - in den Ausstellungsraum der VILLAWEISS in Ligist reisen, als Künstlerin wie auch als Rezipientin. Die Stadt | Land Thematik - die für die Kunst, welche insgesamt vermehrt im urbanen Raum verortet ist, in der Provinz andere Kommunikationsmöglichkeiten zulässt und wieder neue Aufgaben stellt. Der Wilde Westen | AMERIKA! – Emigration der EuropäerInnen nach Amerika – Amerikas Besiedelung, wo Frauen eine maßgebende Rolle einnahmen, ihre Familien eigenständig oder im Frauenverband versorgten. Eindimensionale Geschichtsschreibung übergeht ungezählte Male die gesellschaftliche Realität, beschränkt die Rolle der Frau und des Mannes auf Klischees von Weiblichkeit und Männlichkeit. GO WEST bezieht sich auch auf die Kontroverse mit den von Frauen erschaffenen Lebens- und Kulturräumen. Nicht außer Acht zu lassen: das Rückwirken der amerikanischen Kultur auf die europäische - und umgekehrt. Das Lagerfeuer und die Suppe aus dem Kessel im „Westernstil“ sind bewusst performativ inszeniert. Die Künstlerinnen ironisieren die Ernsthaftigkeit des Umgangs mit kulturellen Grenzziehungen. Gibt es Grenzen im „global village“?

Die Künstlerinnen fragen in ihren Werken nach dem grenzüberschreitenden Potential der Kunst, der Macht der Konstruktion von normativen Idealen und der Dekonstruktion von Geschlechterrollen.

Andrea Fian nimmt in ihrer Arbeit Kontakt mit den vermeintlichen Gegensätzen von Kultur | Natur auf. Zahlreiche ihrer Eindrücke aus der Natur lassen sich konkret in ihren Gemälden finden, der Kokon als immer wiederkehrendes Sujet ihres Œuvres. Er ist nur eines vieler Symbole für die künstlerische Auseinandersetzung mit Naturphänomenen. Die abstrahierten Darstellungen aus der Tier- Mensch- und Pflanzenwelt stellt sie dem elaborierten Kunstbetrieb und der Auffassung von Kultur gegenüber. In GO WEST zeigt sie Postkartenübermalungen und Reisetagebücher.

RESANITA beachten ebenfalls Kultur | Natur, wobei ein Blickpunkt im Spannungsfeld von Kultur | Natur- Räumen zu finden ist. Sie brechen mit der Typologie von Räumen, bringen Pflanzen ins Museum, transportieren so die Natur in den Kulturwirkungskreis und sprechen damit den Betrachter direkt an traditionelle Raumvorstellungen zu reflektieren. RESANITAS Interventionen sind oft Botschaften im Auftrag der Humanität, das Glashaus bei der Leechkirche in Graz war ein Zitat zur Problematik der Flüchtlinge, das Eigene | das Fremde wird thematisiert. RESANITA werden für die Ausstellung einen PKW zu einer Behausung umbauen; angelehnt an die Frauen die durch die Prärie des Wilden Westens zogen und ihre Wägen auf dem langen Weg von der Ost- zur Westküste Amerikas zum Wohnraum umfunktionierten. Irmgard Schaumberger beschäftigt das Thema Kultur | Natur in Verbindung mit Sprache. Für ihre kunstvollen Konzeptionen verwendet sie das archaische Material Ton, und stellt eine Synthese mit der Schrift als Charakteristikum der Hochkultur her. Die Konzeptionen aus Ton und Sprache, oft auch als soziale Plastik gestaltet, sind museal als auch im öffentlichen Raum zu entdecken. Auch ihr Projekt „Aromapanorama“ war so entwickelt, dass sich Bürgerinnen der Gemeinde Bad Gleichenberg rund zweieinhalb Jahre lang am künstlerischen Gestaltungsprozess beteiligen konnten. All diese Inhalte dienen als Ausdruck für kulturelle Überschneidungen, die Ausstellung soll das Bewusstsein zur differenzierten Betrachtungsweise gesellschaftlicher Ordnungssysteme fördern.

 

Iris Uranitsch